So kann man ein Jahr definitiv beginnen: Das Schwäbische Jugendblasorchester brillierte beim Galakonzert am Dreikönigstag im Günzburger Forum unter der Leitung der neuen Chefdirigentin Dr. Verena Mösenbichler-Bryant. Am Ende gab es stehenden Applaus für die jungen Musikerinnen und Musiker.
Wenn der Beginn einen Trend für den weiteren Verlauf des Jahres setzt, kann sich der ASM auf ein großartiges Jahr 2023 freuen, denn das Schwäbische Jugendblasorchester setzte mit seinem Galakonzert am Dreikönigstag ein erstes Glanzlicht. Die rund 80 jungen Musikerinnen und Musiker um Dirigentin Dr. Verena Mösenbichler-Bryant überzeugten im Günzburger Forum am Hofgarten auf ganzer Linie und begeisterten das Publikum.
Häufig liegt die größte Schwierigkeit eines Konzerts in der Programmgestaltung: Es gilt, einen Mittelweg zwischen dem musikalischen Anspruch, dem Fordern der Musiker und der Publikumswirksamkeit des Programms zu finden. Die Dirigentin des SJBO entschied sich dafür, das eine (die Musiker zu fordern) zu tun und dabei das andere (das Publikum zu begeistern) nicht zu lassen. Heraus kam eine absolut hörenswerte Mischung aus Neujahrskonzert-Anklängen und mitreißenden Originalwerken für Blasorchester.
Der erste Konzertteil war von Blasorchesterbearbeitungen klassischer Orchesterwerke geprägt. Los ging’s festlich-forsch mit der »Festmusik der Stadt Wien« von Richard Strauss, gefolgt von Franz von Suppés weithin bekannter Ouvertüre zur Operette »Dichter und Bauer«. Bevor Johann Strauß’ »Nico Polka« Wiener Neujahrskonzert-Flair in den Saal brachte, gab das Orchester Leonard Bernsteins »Candide Suite« zum Besten, also Ausschnitte aus Bernsteins weithin unbekanntem gleichnamigem Musical. Der bekannteste Teil des Musicals ist heute die Ouvertüre, die – als Essenz des Gesamtwerks – auch in den fünf Sätzen der Suite immer wieder anklang. Was das Orchester gerade bei der »Candide Suite« zeigte, war wirklich beachtlich, denn das Werk forderte mit virtuosen Stimmen und komplex verschachtelten Rhythmen und Harmonien jeden Einzelnen, aber auch das Orchester. Leonard Bernstein, ein Meister des musikalischen Augenzwinkerns, hätte sich indes vermutlich über die freche, spritzig-frische Wiedergabe seiner Suite gefreut. Das Publikum war jedenfalls begeistert.
Der zweite Teil stand im Zeichen mitreißender Originalwerke. Nach einigen Jahren Pause wurde wieder einmal das »Epic Opening« von Julien Meisenzahl gespielt, das 2018 als Siegerkomposition aus einem Kompositionswettbewerb des »Freundeskreises des SJBO« hervorgegangen war. Dem Notenwirbel von Julien Meisenzahl folgte »Elixir« von Michael Markowski, bei dem Dirigentin und Orchester das Publikum zu einer Art »geführtem Hören« einluden und das kurze, aber einprägsame Hauptmotiv »du-dat« vorstellten, das sich »von einer kleinen Synkope zum großen Orchesterklang« entwickelte. Nachdenklich und mit philosophischen Überlegungen über das Leben an sich ging es mit »One Life beautiful« weiter: Dass jeder Mensch nur ein Leben habe, mache das Leben so heilig, so tragisch und so kostbar. Nach den impressionistisch-beeindruckenden Klängen wurde es für das Publikum mit »Single« wieder etwas leichter: Ein »Popsong« stand auf dem Programm, dem Laurenz Meitinger mit seinem Gesang das i-Tüpfelchen aufsetzte.
Weil das Publikum nun schon einmal in Schwung versetzt war, folgte mit »Libertadores« der mitreißende Höhe- und Schlusspunkt des Konzertprogramms. In zwei Teilen wird bei dieser sinfonischen Dichtung von Óscar Navarro erst der Amazonas mit seinen charakteristischen Landschaften und den indigenen Völkern beschrieben, die an seinen Ufern leben. Der zweite Teil widmet sich den südamerikanischen Freiheitskämpfern (»Libertadores«) Simón Bolívar und José de San Martin. Nicht nur die Ohren machten bei dieser Komposition Augen – visuelle Effekte verstärkten die Wirkung der »Libertadores«, sodass es am Ende niemand mehr auf seinem Sitz hielt. Stürmischer Beifall war der Lohn der Zuschauer für das Schwäbische Jugendblasorchester, das sich seinerseits mit »The Stars & Stripes forever« und »Probier’s mal mit Gemütlichkeit« bedankte.
Das Konzert zeigte einmal mehr, welches ungeheure Potenzial im Schwäbischen Jugendblasorchester steckt. Diesmal hatte die Arbeitsphase im nagelneuen »Musikzentrum Baden-Württemberg« in Plochingen bei Stuttgart stattgefunden, das perfekte Bedingungen für die Probenarbeit bot.
Dass die Stimmung im Orchester hervorragend ist, zeigte sich während der Arbeitsphase, vor allem aber auch auf der Bühne. Dr. Verena Mösenbichler-Bryant entpuppt sich immer mehr als Glücksgriff für die Leitungsposition des SJBO. Dass die Atmosphäre im Orchester so gut ist, ist nicht zuletzt ihrer Arbeits- und Herangehensweise zu verdanken. Darüber hinaus hat sie ein bemerkenswertes »Händchen« für die Programmgestaltung – Musiker wie Publikum verließen alle bisherigen Konzerte gleichermaßen beseelt. Die Musiker werden ordentlich gefordert, ohne überfordert zu wirken und haben ganz offensichtlich Spaß am Musizieren. Aus Orchester und Dirigentin ist trotz der projektbedingten Besetzungswechsel bereits nach drei gemeinsamen Arbeitsphasen eine wunderbare Einheit geworden, in der die Musiker die Vorgaben der Dirigentin hundertprozentig umsetzen.
Text und Bilder: Martin Hommer
Bericht der Günzburger Zeitung vom 8. Januar 2023: hier